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Corona-Alltag an der Albert-Schweitzer-Schule: Wechselunterricht im täglichen Rhythmus

06.04.2021

„Wir wollen für unsere Schülerinnen und Schüler auch Lebenswelt sein“, beschreibt Wolfram Fuchs, Rektor des sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrums, Albert-Schweitzer-Schule, das Credo seines Hauses. Allein die Verwirklichung ist durch die Corona-Pandemie in den vergangenen Monaten erheblich erschwert worden. Ein Dreiklang aus Wechselunterricht, Notbetreuung und Home-Schooling bringt die Schülerinnen und Schüler in Kehl seit 22. Februar näher an den klassischen Schulalltag. Sonderschulrektor Wolfram Fuchs und sein Kollegium beobachten bei ihrer Schülerschaft einen hohen Bedarf an Struktur, Beständigkeit und Sozialkontakten. Deshalb lässt die Albert-Schweitzer-Schule die Jahrgangsstufen im Wechselunterricht in einem täglichen Rhythmus rotieren.

Als der zweite harte Lockdown Mitte Dezember beschlossen wurde, ist in den Schulen vieles komplizierter geworden: Schlagartig wurden Ganztagsbetreuungsangebote auf null zurückgefahren, plötzlich stand Online-Unterricht wieder auf dem Stundenplan. Damit rückte die Lebenswelt Schule für die Kinder und Jugendliche in digitale Ferne. Für die rund 120 Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen, die die Albert-Schweitzer-Schule in Kehl besuchen, begann erneut eine schwierige Zeit. „Dadurch wurde es für die Kinder schwierig, sich ein Mindestmaß an Strukturen zu bewahren“, berichtet Sonderschulrektor Wolfram Fuchs. Ein Online-Aufruf unter den Schülerinnen und Schülern, Fotos vom heimischen Schreibtisch zu machen, förderte mitunter die ungewöhnlichsten und überraschendsten Orte zutage.
Um die Schülerinnen und Schüler mit Unterrichtsmaterial wie beispielsweise Arbeitsblättern zu versorgen, greift die Förderschule auch auf ein online-basiertes Cloud-System zurück. Wer hierzu keinen Zugang hat, etwa weil zuhause nicht die technischen Voraussetzungen gegeben sind, kann die Schulaufgaben auch an der Rustfeldstraße abholen. Immer ab Montag werden die sogenannten Lernpakete ausgegeben. Die Schülerinnen und Schüler klingeln an der Eingangstür und erhalten die Wochenaufgaben aus den Händen ihrer Lehrer. „Wir wollen die Kinder einmal in der Woche sehen“, erklärt Konrektor Oliver Martin die Vorgehensweise. In der Regel folgt ein kurzes Gespräch im Klassenzimmer, ehe die Jugendlichen mit ihren Lernpaketen den Heimweg antreten. Da neben Kehl auch die Gemeinden Willstätt und Rheinau zum Einzugsgebiet der Albert-Schweitzer-Schule gehören, nicht alle Eltern mobil sind und es im Lockdown keine Monatskarten für den ÖPNV gibt, bietet die Schule an, den Schülerinnen und Schülern die geschnürten Lernpakete zu bringen.

Mehr Normalität und Beständigkeit
Inzwischen hat die Albert-Schweitzer-Schule ihr Ganztagsangebot unter Beachtung der Hygieneregeln wieder hochgefahren. Seit 22. Februar bieten die Grundschulen in Kehl Wechselunterricht an. Das heißt, jeweils zwei Jahrgangsstufen sind abwechselnd für eine Woche im Präsenzunterricht oder zuhause. An weiterführenden Schulen sind die Klassenstufen fünf bis sechs seit Montag, 15. März, ebenfalls im Wechselunterricht. Notbetreuungsangebote gibt es weiterhin für Schülerinnen und Schüler bis zur siebten Klasse. Abschlussklassen und jene, die im nächsten Jahr Abschlussprüfungen ablegen, erhalten ebenfalls Präsenzunterricht. Die Albert-Schweitzer-Schule schlägt hier einen Sonderweg ein: Zwar gibt es auch hier abwechselnd Unterricht für die Klassenstufen eins bis sechs, doch die Intervalle sind kürzer. Die Schülerinnen und Schüler müssen nicht eine volle Woche warten, bis sie wieder in ihre Klassenzimmer können. „Auf diese Weise ist jedes Kind dreimal in der Woche in der Schule. Davon versprechen wir uns mehr Beständigkeit und der Wiedereinstieg in den Regelbetrieb wird erleichtert“, erläutert Schulleiter Wolfram Fuchs. Dabei wird tunlichst darauf geachtet, dass sich die Klassenverbände auf den Fluren nicht begegnen.

Und dann wären da noch die Klassenstufen sieben bis neun. Sie bleiben weiterhin im sogenannten Fernlernen. Für die Siebtklässlerinnen und Siebtklässler gibt es darüber hinaus ein Notbetreuungsangebot. Die Albert-Schweitzer-Schule bietet den Jugendlichen nach individueller Absprache zusätzlich an, ihre Lernpakete und Hausaufgaben in der Schule zu erledigen. Bis zu drei Siebtklässlerinnen und Siebtklässler sitzen gleichzeitig in den Klassenräumen – unter Beachtung des Abstandsgebots. „Die Jugendlichen brauchen die Lernatmosphäre der Schule“, erläutert Rektor Wolfram Fuchs. Auch wenn sich die Klassenverbände im Schulhaus weitestgehend aus dem Weg gehen, die Begegnungen unter Gleichaltrigen sei dennoch wichtig und stärke die sozialen Kompetenzen der Heranwachsenden.
Der Lockdown kennt auch schöne Geschichten: Zwei Freundinnen trafen sich nach Wochen zufällig zum Einzelunterricht an der Albert-Schweitzer-Schule wieder. Da sie in Freistett und Neumühl wohnen, hatten sie keine Gelegenheit, sich während des Lockdowns zu sehen. Den Wunsch sich zu treffen brachten sie in der Schule vor und der Klassenlehrer informierte die Eltern, um kurzfristig ein Treffen zu ermöglichen. Die beiden Freundinnen verabredeten sich noch am selben Tag zu einem Spontan-Besuch. „Ein Großteil unserer Schülerinnen und Schüler vermisst schlicht seine Sozialkontakte“, erläutert Wolfram Fuchs. In ihren Gesprächen mit den Heranwachsenden begegnen auch Jugendsozialarbeiterin Fenja Becherer immer wieder Sätze wie „Ich komme mit der Situation nicht zurecht“; „Ich war lange Zeit nicht mehr draußen an der frischen Luft“, oder „Ich habe schon lange nicht mehr mit jemandem gesprochen“. „Wir wünschen uns eine baldige Öffnung der Schulen“, sagt Konrektor Oliver Martin, nennt jedoch eine Einschränkung: „Der Rahmen muss stimmen.“